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Alltag vor Anker und auf Grenada

Nach gut 2 Monaten vor Anker und auf der Insel wird uns Grenada immer vertrauter. Wir sind nicht mehr unterwegs, sondern leben auf dem Boot wie in einer Ferienwohnung mit unserem Dinghi als Auto. Die Wohnung ist im Verhältnis zur Terrasse recht klein und schaukelt mehr oder weniger und der Müll muss mit dem Auto an Land gefahren werden, aber sonst ist nicht viel Unterschied. Na gut, okay, der 230 Volt Strom kommt nur aus der Steckdose, wenn der Generator läuft und das Wasser nur aus dem Wasserhahn, wenn wir vorher das Meerwasser entsalzen haben, aber das ist nach fast einem Jahr an Bord nichts Ungewöhnliches mehr.

Im Tages- und Wochenablauf hat sich eine gewisse Routine eingestellt. Der Tag beginnt um 7.30 Uhr mit dem Grenada Cruisers Net auf VHF Funkkanal 66. Da gibt es für die Yachties in den verschiedenen Buchten von Grenada alle notwendigen und manchmal auch nicht notwendigen Informationen über Safety, Weather, New Arrivals and Departures, Socials, Treasures of the Bilge, Local Offerings. Auch wenn es uns nicht besonders interessiert, dass im Marinacafe um 13 Uhr Domino gespielt wird (Die Amerikaner lieben das!), ist es trotzdem praktisch, auf diesem Wege jemanden zu finden, der unsere leere Gasflasche aus Deutschland (kein genormter Anschluss) wieder auffüllt. Außerdem haben wir dort für ganz wenig Geld von einem Schweden gebrauchte flexible Sonnenpaneele erstanden, die jetzt auf unserem Bimini (Sonnenschutz) liegen. Christoph hat es geschafft, sie mit dem Hydrocharger unseres Hydrogenerators zu verkabeln. Wenn wir kein Wasser machen und die Waschmaschine nicht läuft, liefert uns die Sonne jetzt genug Strom für den normalen Alltag. Und wenn wir nicht an Bord sind und das Bimini abgebaut ist, können wir die Paneele auch einfach hinten auf dem Deck befestigen und müssen in der Marina nicht an den Landstrom.

Solarpaneele neu auf dem Bimini installiert

Im Vergleich zu vielen anderen Inseln ist Grenada ziemlich „zivilisiert“, obwohl ich wirklich nicht sicher bin, ob dieser europäische Ausdruck dem Leben hier gerecht wird. Nur geschätzte 5% der Bevölkerung sind weiß, obwohl die englische Historie besonders in der Hauptstadt St.George‘s deutlich zu sehen ist. Im Moment ist keine Saison, das große Kreuzfahrtterminal bleibt leer und auch viele der Hotels und Restaurants sind geschlossen. So bleiben Einheimische und Yachties unter sich.

St. George’s – Hafen
Straßenleben St. George’s
Typisch: selbstbewusste Frauen
Obst- und Gemüsemarkt
Vom Garten direkt auf die Straße
Kein Widerspruch erwünscht…

Neben einfachen Behausungen ohne fließendes Wasser (sehr oft auf Stelzen gebaut) gibt es hier viele riesige Villen mit imposanten Auffahrten durch grüne Rasenflächen, vor denen oft modernste Autos japanischer Fabrikate geparkt sind. Es überrascht uns immer wieder, trotz dieser Hitze so viele Frauen in Kostümen und Männer in perfekt gebügelten Hosen und weißen Hemden mit Krawatte zu sehen. Überhaupt sind die allermeisten Menschen – trotz manchmal erstaunlichen Körperumfangs –   äußerst gepflegt; ich könnte stundenlang in der kühlen Shopping Mall sitzen und nur die kunstvoll drapierten Haare bewundern. Leider kann ich mich ja nicht frech hinstellen und die Menschen einfach fotografieren. Manchmal bitte ich auch um ein Foto, bin dann aber enttäuscht, dass die dunklen Gesichter und Haare in der hellen Sonne gar nicht zur Geltung kommen. Wir haben erfahren, dass es hier 25% Arbeitslosigkeit gibt ohne jegliches Sozialsystem. Auf den Straßen sieht man jedoch auch nicht mehr verwahrloste Gestalten als bei uns in Deutschland. Bettler gibt es gar nicht. Vielleicht werden die Menschen hier von ihren Familien aufgefangen oder brauchen einfach weniger.

Typische Villa auf Grenada
Girls am Hafen
Kunstvolle Hochsteckfrisur
Elegant am Abend
Perfekt gestylt in Uniform
In jeder Weise imposant

Die Menschen sind unglaublich offen und freundlich, immer zu einem kleinen Schwätzchen aufgelegt. So fragt mich ein netter junger Fischer, als ich den kleinen Hafen fotografiere, wie mir Grenada gefällt, und schon vergehen angeregte 5-10 Minuten Austausch über die Schönheiten Grenadas, das Leben auf einem Boot und die Beschreibung von Bayern. Nach dem üblichen Take care zeigt er mir noch die Begrüßungs- und Abschiedsgeste der Insulaner, ein Zusammentreffen der rechten Faust mit anschließendem Klopfen auf die Herzgegend

Kleiner Fischerhafen direkt neben dem Fischmarkt

Besonders angetan haben es uns die Märkte. Freitags ist Fischmarkt und „unser“ Fischverkäufer und seine Frau empfehlen uns jeweils den besten Fisch, den sie haben. Meistens ist er mit 7-10 Pfund (lbs) zu groß für uns, wir lassen die Filets auslösen (Wartezeit und Schwätzchen inbegriffen) und haben dann ein Abendessen zusammen mit unseren Freunden und noch für den nächsten Tag.

„Unser“ Fischstand
…. mit „unserem“ Fischer, der fachmannisch filetiert

An den Gemüseständen nebenan lerne ich alles über die Zubereitung von Callaloo, einem sehr leckeren spinatähnlichen Blattgemüse. Die reizende kleine Marktfrau erinnert mich jedes Mal daran, ja nicht die Prise Zucker zu vergessen! Und ihr riesiger Sohn, Basketballer und Bayern München Fan, gibt mir mit seinem breiten Lächeln oft ein paar Mangos extra in meine Einkaufstasche.

Callaloo

Besonders nett war die Diskussion zwischen Christoph und den jungen Verkäufern des Kokosnusssaftes. Nachdem ich eine Flasche gekauft hatte, bat ich noch um etwas Jelly (Fruchtfleisch). Bei den jungen Früchten ist es noch sehr dünn und weich und wird mit einem Stück Rinde als Löffel aus der Schale geschabt. Obwohl die Verkäufer die gesundheitsfördernde Wirkung des Kokosnusssaftes und des etwas wabbeligen Fruchtfleisches (hilft für und gegen alles!) genau erklärten, wollte Christoph nicht probieren und stellte die ebenfalls gesundheitsfördernde Wirkung des bayerischen Biers dagegen. Aus dem Nichts erschienen einige weitere junge Männer und es entwickelte sich eine angeregte Diskussion mit viel Gelächter.

Coconut juice – sehr erfrischend
Jelly – Fruchtfleisch

Hier ist es so einfach, mit öffentlichen Verkehrsmitteln von A nach B zu kommen. Wenn man eine Straße entlang geht, wird man alle paar Minuten von einem Minibus angehupt. Einem Blick auf die Nummer an der Windschutzscheibe folgt entweder ein Kopfschütteln oder ein Winken. Wenn man winkt, bleibt der Bus stehen (nicht immer an den ausgewiesenen Haltestellen) und man steigt ein. Dem Conductor geben wir dann für 2 Personen 5 ECD (Eastern Caribean Dollars), das sind ca. 1,70€, und dafür fahren wir entweder 5 Minuten zur nächsten Shopping Mall oder 25 Minuten bis zum Fischmarkt. Wenn man aussteigen möchte, klopft man an das Fenster oder das Dach und der Bus hält an der nächsten Haltestelle. Wir haben gehört, dass jeder der privaten Busfahrer eine Lizenz haben muss, woran wir aber gelegentlich zweifeln. Manchmal fahren sie in so halsbrecherischer Art und Weise durch die engen kurvigen Gassen, dass man es kaum fassen kann, wenn man heile angekommen ist. (Wobei ich wegen des Linksverkehrs sowieso schon immer den Atem anhalten muss!) Erschwerend kann dann noch hinzukommen, dass diese Busse bis auf den letzten Notklappsitz vollgestopft sind. 15 Leute in einem Kleinbus der kleiner ist als ein VW Bus. Dann sitzt man eingequetscht zu viert in einer der 3 Sitzreihen, was letztens bei Christophs Größe, dem Conductor und 2 gewichtigen Mamas in der Reihe vor mir mein ehrliches Mitgefühl ausgelöst hat. Es macht mich immer wieder fassungslos zu sehen, dass die einheimische Bevölkerung bei diesen Temperaturen ohne eine einzige Schweißperle auf der Stirn solche Situationen meistert, während ich mich redlich bemühen muss, ihnen nicht meine schweißfeuchten Arme in die Seiten zu rammen.

Buslinie 1
Coole Fahrer

Ach ja, die Hitze! Wer mich kennt, weiß, dass meine Wohlfühltemperatur eigentlich zwischen 20 und 24 Grad liegt. Das wird hier mit um die 30 Grad und hoher Luftfeuchtigkeit (ca. 85%) deutlich übertroffen. (Ich weiß, dass es zu Hause teilweise noch schlimmer ist und habe besonders Mitleid mit den Kindern und den Kollegen in der Schule!) Das Meerwasser bietet zwar eine Abkühlung, fühlt sich aber fast immer noch an wie in einer Badewanne. Deshalb liebe ich den Regen. Nicht den tröpfelnden Regen, sondern den tropischen Regen, wenn es wie aus Kübeln gießt. Wenn sich die meisten anderen Yachties unter Deck verziehen, ziehe ich meinen Bikini an und gehe im richtig kühlen Regenwasser auf dem Schiff spazieren. Manchmal verbinde ich auch Angenehmes mit dem Nützlichen und schrubbe das Deck oder putze die Fenster. Falls die Regenschauer länger als 15 Minuten andauern, fange ich an zu frösteln – ein herrliches Gefühl!

Dancing in the rain

Genauso liebe ich meine late night shower vor dem Schlafengehen. Unter dem Sternenhimmel stehe ich dann auf der Badeplattform und genieße eine ausgiebige, kühle Dusche bei wirklich angenehmen Temperaturen. Für dieses Vergnügen nehme ich gerne in Kauf, dass unser Watermaker eine volle Stunde in der Woche länger laufen muss!

Seit drei Wochen sind auf Grenada Schulferien. Am letzten Schul-Freitag sah man gerade die jüngeren Kinder in ihren Schuluniformen mit Schärpen, Krönchen oder Trophäen in Begleitung ihrer Eltern nach Hause gehen. Es ist auffällig, wie sorgfältig die Kinder jeden Alters hier hergerichtet sind, sowohl in ihren Schuluniformen als auch im Freizeitdress. Bis jetzt konnte ich einmal am späten Nachmittag nach Schulschluss eine Grundschule von innen besichtigen. Eine Lehrerin saß noch da und korrigierte. Es war eine kirchliche Schule, bestehend aus einer einzigen riesigen, sehr hohen Halle, in der Raumteiler für die einzelnen Klassenzimmer verteilt waren. In denen standen alte Holzbänke für 15 bis 20 SchülerInnen. Wie bei uns hingen an den Raumteilern Wortkarten und Merksätze. Leider war nicht zu sehen, ob sie das innovative Konzept der Lerngruppen verfolgen oder die Kinder nach ihrem Alter gemeinsam unterrichten.

Das sind so kleine Begebenheiten aus unserem neuen Alltag. Obwohl Christoph immer wieder etwas findet, das getan werden muss, sind wir inzwischen nicht mehr im hektischen Reparaturmodus, sondern eher im gemächlichen Wartungsmodus. Wir sind seit einiger Zeit deutlich entspannter, lesen wieder, schauen einen Film an oder sitzen auch nur mal mit einem Glas Wein da und schauen aufs Wasser. Laut Christophs Beobachtungen sind meinen Bewegungen die Operationen nicht mehr anzusehen und auch mental geraten sie immer besser ins Hintertreffen; die alte Zuversicht kehrt glücklicherweise zurück.

Wie Christoph ja schon geschrieben hat, legen wir in ein paar Tagen das Schiff in die Marina. Da ich meinen runden Geburtstag nicht mit Familie und Freunden feiern kann, werden wir Plan B verfolgen und uns so ein Highlight schaffen. Am 4.8. fliegen wir für 3 Wochen mit einem günstigen Direktflug nach Miami und werden uns Florida anschauen. Wir werden berichten…

Herzlichst, Angela   

Turbo Summary for our English speaking friends and followers:

After 2 months at anchor and on Grenada we are getting familiar with this island. We are no longer on our way, but do live on one spot on our boat. Daily work such as loading batteries, making water, washing clothes becomes routine. The cockpit is the small terrace of our house and the dinghy is our car. We now have solar panels which makes it much easier to manage our daily electrical consumption.

Grenada is quite well developed. Only 5% of the population is white. 25% unemployement rate. People are friendly and always willing for a quick chat. The bus system is very effective. For 2,50 ECD (East Carribean Dollar) which is about 0,8 Euros, you go one way where you want to go. The buses are fully packed which makes it is quite narrow inside especially given the size of the locals in some cases. During the summer period, which is low season, there are no cruise ships on the giant cruise ship terminal. So locals and yachties are the only one here. Schools are closed right now, but before that we could see school children all perfectly dressed which was very appealing.

Shopping on the local markets is always a small event on Fridays. We know the fisherman which provides us big and excellent fish, the “vegetable” lady who offers wonderful Callalloo, the fruit man who as coconut or mango ready to sell or drink/eat right away. The biggest advantage of shopping malls is the air condition. We sit there to cool down prior going to the supermarket and watch locals with their awesome hair cuts.

The summer heat is a challenge for me. My ideal temperature is 20 to 24 degrees. Here we have around 30 degrees with about 85% humidity. In Germany, it is much hotter in these days and I think about our family, friends and former colleagues and pupils who do suffer there. We can still jump in the water to cool down a bit. I do enjoy especially my late night showers, or heavy rain showers where I walk over deck until I feel somehow cold.

We could successfully complete our repair mode and are now in a maintenance mode with our boat. We have reserved a marina berth as of August, and as I cannot celebrate my coming birthday with a “Zero” with my family and friends, I will celebrate it in Miami/Florida which will be an extraordinary highlight, too. We will report….

Bests Angela…

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