„Da springt ein Fisch“, ruft Tina ganz überrascht. Alle 6 Personen in unserem Dinghi Odysseus starren in die Dunkelheit nach vorne, wo Tina hinzeigt. „Das ist aber kein fliegender Fisch“, bemerkt unser wissenschaftliche orientierter Karl-Rudolf von der SY Orion. In der Tat, der Fisch springt wiederholt, aber fliegt nicht. Es ist ein sehr kräftiger Bursche. Ich motore mit mittlerer Geschwindigkeit durch die Nacht (ab 18:15 ist es finster) weiter und steuere das Boot Richtung Dinghi Dock von St. Anne (Martinique).
Bernd und ich sitzen hinten im Dinghi. Plötzlich klatscht etwas hart und nass gegen unsere Beine und unmittelbar danach hören wir schon ein lautes Kreischen von unseren 3 Ladies. Zu unseren Füßen schlägt etwas mit aller Gewalt am Boden um sich. Es ist stockfinster, keiner kann sehen, was hier los ist. „Taschenlampe her“, ruft einer und Tina, die vorne sitzt und die Markierungsbojen anleuchtet, richtet sie auf den Boden. Ein Fisch. 30 cm mindestens.
Ist das ein Killerfisch oder was? Wie muss der denn drauf sein, durch das Schraubenwasser von hinten in ein fahrendes Dinghi zu springen und friedliche Segler zu attackieren?
Bernd hat alle Mühe ihn zu fassen und befördert ihn schließlich über Bord. Schluss mit lustig, wir wollen weiter zu unserem Silvesterdinner, unsere Damen sind gut gekleidet und haben wenig Appetit auf Killerfische oder Fischschuppen auf ihrer Kleidung. Bernds Hände von üblem Fischgeruch zu befreien, wird zur nächsten Herausforderung bevor wir zum Dinner gehen.
Eine kleine Episode aus unserem unterhaltsamen Leben seit unserer Ankunft in der Karibik nach der Transatlantik Überquerung.
Wir sind gut drauf. Sundowner und dann irgendwo und irgendwie ein nettes Abendessen, an Bord oder Land. Mal ganz einfach, mal raffiniert.
Wir genießen St. Lucia und Martinique und sind natürlich in Vorbereitungen für die Festtage, Silvester und ganz wichtig den Besuch von Sohn Jonas mit Freundin Marthe die Anfang Januar. Viele Tage liegen wir in einer schöner Bucht bei St.Anne mit Platz für viele Schiffe. Sauberes Wasser zum Schwimmen und Wassermachen. Es windet kräftig jeden Tag. Regenschauer sind normal. Mal mehr, mal weniger. Zeit für uns. Herrlich.
St.Lucia und Martinique – zur Orientierung
St. Anne in Martinique bei Sonne….
Und im Regen….
Es sind doch mehr Arbeiten am Schiff erforderlich als ursprünglich vermutet. Unser Generator ist eine der Schlüsselkomponenten: Kühlschrank, Gefriertruhe, Navigationsgeräte, Beleuchtung, Funk, Wasserpumpen, etc. brauchen Strom. Viel Strom, den sie über die 12 Volt Batterien beziehen. So wie im Auto. Nur haben wir natürlich sehr viele und große Batterien, die entweder über die Antriebsmaschine, per Landstrom im Hafen oder eben über den Generator geladen werden. Natürlich brauchen auch Wassermacher, Waschmaschine und Klimaanlage Strom, den beziehen sie mit 220 Volt direkt vom Generator.
Also in knappen Worten: Ohne den Generator geht nix. Deswegen haben wir auch ein gutes, robustes Kraftwerk mit 6,6KW an Bord.
Schon während der Atlantikpassage stellen wir fest, dass das Kühlwasser des Generators leckt. Erste Eingriffe die Schlauchschellen dicht zu ziehen, bleiben ohne Erfolg. Ich analysiere gründlicher und baue hierzu die Eingangstreppe, die von Cockpit ins Schiff führt ab, um von allen Seiten an den Generator zu kommen. Das freut die Hausfrau im Weihnachtsputz nun gar nicht. Sie ist verständnisvoll, aber doch genervt, weil jetzt das Cockpit nur mit Kletterübungen erreicht werden kann und der Salon nicht begehbar ist.
Ich finde das Problem am Auspuffkrümmer. Ein marodes Gummiverbindungsteil und eine gebrochene Schlauchschelle. „Kein Problem“, sage ich leichtfertig zu Angela. Der Ausbau ist rasch erledigt, weil das Teil so mürbe ist, dass es leicht abgezogen werden kann. Angela nimmt das undichte Schlauchteil in Augenschein. „So einen Schlauch in genau dieser Qualität haben wir doch in der Ersatzteilkiste“, meint sie fachkundig. „Ja, schon, aber nicht für diesen Durchmesser“, schränke ich ein. Mist!! Für das Ersatzteil muss ich von St. Anne nach Le Marin. Das sind ca. 2 Seemeilen gen Osten. Kein Problem, nur das Wetter ist schlecht. Kräftiger Wind aus Ost und heftigster Regen. Eine Schlechtwetterfront überquert in diesen Tagen Martinique. Wenn wir aber über Weihnachten Strom haben wollen, muss ich jetzt los. Wir schreiben den 22.Dez. und es ist Samstagvormittag. Die Shops schließen um 12:30. So etwas passiert auch immer nur vor Weihnachten, wie die Heizung zu Hause, die geht auch nur vor den Feiertagen kaputt.
„Kein Problem, ich mach mich schnell fertig, fahre allein nach Le Marin und besorge das Teil. Ist ja nur eine Kleinigkeit“, beruhige ich die Hausfrau. Also Regenjacke an, Badehose drunter, wasserdichter Rucksack mit Geld und Handy. Und los. Ich kämpfe mich mit dem Dinghi gegen Wind, Welle und heftigsten Regen. Der Wind faucht mächtig sowie ich aus dem Schutz der schützenden Landzunge komme. Das Dinghi tobt nun durch die Wellen und ich muss mich wirklich gut festhalten und in Langsamfahrt jede Welle ausfahren. Allein an Bord ist das Dinghi gewichtsmäßig schlecht getrimmt. Der Gegenwind fasst unter den Bug und hebt es an. Weiter nach vorne komme ich nicht, weil der Gashebel bzw. mein Arm zu kurz sind. Ein Regenschauer nach dem anderen kommt mir entgegen und macht das Sehen schwierig. Die Strecke zieht sich. Ich wickle sogar die Notstoppleine des Motors ums Handgelenk als Vorsichtsmaßnahme, was ich sonst nie mache.
Hätte vielleicht doch eine Schwimmweste mitnehmen sollen. „Depp“, denke ich mir. „Hätt´s ja mal nachdenken können, was dich hinter der Landzunge erwartet bevor du losfährst. Das darf ich Angela gar nicht erzählen, sonst gibt’s richtig Ärger.“ Denn sie macht sich immer so viele Sorgen, um meine Sicherheit.
In Le Marin klappere ich alle Shops ab und werde dann auch kurz vor Ladenschluss fündig. Ich bin erleichtert. Dann noch die Einkaufsliste von Angela abarbeiten, die Supermärkte haben ja viel länger auf. Alles wasserdicht verpacken und zurück. Das geht mit Rückenwind natürlich schnell, ich muss aber in den Wellen höllisch aufpassen, denn nunmehr in Gleitfahrt fliegt das Dinghi eher über die Wellen als das es fährt. Ich bin mit unserem starken Außenborder noch nicht so vertraut in diesen Bedingungen, entsprechend kritisch sind dann auch einige Momente, wo ich wirklich fast in freiem Flug ins nächste Wellental klatsche und mich mehrfach fast aus dem Boot katapultiere. „Depp, pass halt auf“, sage ich wiederholt nun laut zu mir. Mit eleganten Bogen gehe ich längsseits Ithaka. Angela steht schon bereit und vertäut das Dinghi. „Na, das hat ja lange gedauert. Hast du alles bekommen und ist alles klar?“, begrüßt sie mich. „Ja, habe alles bekommen. Alles gut. Muss mich erstmal trockenlegen. War ein bisschen ruppig“, sage ich durchaus wahrheitsgemäß und verschwinde rasch im Inneren des Schiffs und anschließend im Motorraum, um weitere Details nicht ausführen zu müssen.
Der Einbau des Gummikrümmers belastet meine Hände und Nerven, dann auf das Äußerste. Natürlich versuche ich das Teil einfach so einzubauen wie ich es ausgebaut habe. Nach einigen erfolglosen Versuchen und herzhaften Flüchen eines Seemanns stelle ich fest, dass dies so nicht geht. Das neue Teil ist einfach zu steif. Also beginne ich eine Reihe von Motorteilen abzumontieren, um besseren Zugang zu bekommen. Das freut jetzt die Hausfrau nun noch viel weniger, weil ich Schrauben und Maschinenteile auf dem Salonboden sorgfältig verteile.
Dabei stelle ich fest, dass Auspuffkrümmer und Wärmetauscher mit Ablagerungen ziemlich zu gesetzt sind. „Das da überhaupt noch richtig Kühlwasser durchgeht, ist ein Wunder“, sage ich und bereite Angela schonend vor, dass das jetzt eine richtige Sauerei wird. Die Ablagerungen nennt man Dieselkohle, das ist eine Kombination von Diesel, Salz und Kohle zusammengebacken als Lavagestein unter höchsten Abgastemperaturen des Motors, also saudreckig. Logischerweise muss dieses „Gestein“ entfernt werden.
Jetzt kommt meine Capitana in Schwingungen. Sie knurrt und faucht wie eine Löwin, weil sie ja schon das Schiff für die Festtage und die Gäste auf Hochglanz geputzt hätte und ich doch gesagt hätte, dass der Austausch des Gummiteils eine Kleinigkeit wäre.
Es folgen einige Dialoge aus Szenen einer Ehe, ob man denn die Reparatur jetzt und heute machen müsse. Gefolgt von gewissen Argumentation von meiner Seite, dass wenn sie Strom haben will und somit Wasser und die Batterien nicht verschrotten will, wir nun mal einen Generator brauchen, was sie doch ganz genau wisse. Und so weiter und so weiter und so weiter….. 6 Stunden später, es ist mittlerweile dunkle Nacht, geht der Generator wieder. Ich baue alles wieder zusammen und wir putzen den Salon makellos. Meine Frau umarmt und küsst mich herzlich.
Happy wife, happy life! Das weiß jeder Skipper.
Zum Glück sind andere Reparaturen viel einfacher, aber manchmal auch leider viel teurer. Also ein Wechselbad der technischen Abenteuer und Gefühle für mich als Maschinist und Ehemann an Bord, denn es gibt noch eine Reihe anderer Dinge die zur Reparatur und Wartung anstehen….
Die Motor- und Bugstrahlruder-Batterie sind am Ende und müssen ausgetauscht werden. Sie waren auch falsch angeschlossen vom Yacht Service von Contest. Erstaunlich, dass sie solange durchgehalten haben. Ein schwedischer Mechaniker hilft.
Die Winsch am Mast muss gewartet werden. Das sind sehr viele, zum Teil sehr kleine, Einzelteile. Der Zusammenbau ist delikat, denn die Reihenfolge von Zahnrädern und Einbaurichtung ist entscheidend. Hier sind Hirn und geschickte Finger gefordert.
Am Abend essen wir an Bord oder gehen an Land mit anderen Crews. Der Kreis ist jetzt sehr viel kleiner geworden, dafür aber auch sehr viel vertrauter. Jeder erzählt zum Teil sehr persönliche Geschichten, vom Segeln, Erlebnissen seines Lebens und seine ganz persönlichen Emotionen dabei. Seemannsgarn ist vielleicht auch manchmal dabei, je nachdem wieviel Rum wir trinken. Viele Gemeinsamkeiten tauchen auch, allein schon deswegen, weil wir alle ja die Westeuropäische Küste entlang gesegelt sind und im Wesentlichen die gleichen Häfen und Buchten besucht haben. A Coruna, Vigo, Porto, Cascais, Lissabon, Sines, Lagos, usw. Auch kennen die meisten von uns das Mittelmeer mit, wo wie so viele Jahre gesegelt sind.
Männer im Gespräch während es draußen gerade regnet. Alle über 60 mit viel Erfahrung.
Das Segeln als Paar ist immer wieder ein Thema im Kreis der Gruppendiskussionen. Freuden und Krisen liegen beim Segeln als Paar recht nahe zusammen: Wer von uns kennt das nicht: der perfekte Segeltag mit üblem Ende.
Beginnend mit einem herrlichen Morgen nach einer ruhigen Nacht und einer tollen Segelpassage bei 4 Windstärken und Sonne. Der Tag endet mit einem total versauten, miserablen Anlegemanöver, Kratzer am Schiff und in der Seele und das vielleicht noch vor den Augen anderer bekannter Crews. Wind und Strom haben vielleicht mehr versetzt als vermutet oder irgendeiner von Land quatscht blöd dazwischen und meint es besser zu wissen. Fehlkommunikationen beim Manöver lässt das Ganze dann eskalieren. Danach Kritik, Toben, Fluchen, Frust, Wut, Tränen, Vorwürfe etc. Halt das ganze emotionale Programm! Was für eine Erleichterung, aktiv von anderen zu hören, dass bei ihnen genau das Gleiche abläuft. „Ja, ja, genauso ist das bei uns auch“, sagen alle, insbesondere die Frauen, immer und immer wieder, wenn neue Geschichten ausgepackt werden. Zum Teil kennen sogar alle die zitierten Anlegestellen bzw. Häfen und Ort des Malheurs, weil sie auch schon dort waren. Wie auch immer, so ist das Leben beim Segeln. Wir lachen herzlich, klopfen einander verständnisvoll, tröstend und anerkennend auf die Schulter. Und trinken noch einen Rumpunch oder Bier oder Wein… Wie schön das ist, mit anderen Gleichgesinnten seine Erlebnisse zu teilen und seine ganz persönlichen Freuden und auch Leiden ausdrücken zu können.
Insgesamt sind wir alle stolz auf unsere Segelleistung seit wir in Deutschland, England oder Niederlande aufgebrochen sind. Die 5000-6000 Seemeilen und die Atlantiküberquerung nimmt uns keiner und bereitet uns sehr gut auf die nächsten Herausforderungen vor, die ja vielleicht noch größer sein werden.
In diesem Zusammenhang bringt eine Crew auf, dass jedes Jahr mehr Menschen auf den Mount Everest steigen als Segelschiffe über den Atlantik segeln. Das kann doch gar nicht sein! Ist denn die Atlantiküberquerung mit einer Besteigung des höchsten Berges der Welt zu vergleichen? Wir würden uns ja gleich nochmal viel besser und größer fühlen, wenn das wirklich so wäre.
Ich recheriere:
- 2017 bestiegen 372 Menschen den Mount Everest mit steigender Tendenz jedes Jahr.
- 2018 fuhren ca. 350 Schiffe mit der ARC Organisation über den Atlantik gen Westen. Dazu kommen natürlich noch Einzelschiffe, die ohne die ARC Organisation fahren oder mit anderen kleinen Organisationen.
Also das stimmt dann nicht so ganz, aber die Zahlen sind schon irgendwie vergleichbar. Wir sind aber der Meinung, dass allenfalls eine Weltumsegelung mit der Besteigung des Mount Everest zu vergleichen ist. Und dann stimmt die Aussage wieder, denn weltumsegelnde Schiffe sind sicherlich weit unter 100 pro Jahr. Werden wir dazugehören? Geplant haben wir es ja, aber nach der Atlantiküberquerung erscheint der Pazifik schon sehr groß. Wir werden sehen, denn gemäß Plan cruisen wir jetzt erstmal 2 Saisons durch die Karibik. Also kein Stress, sondern Segeln mit Genuss in kleinen Etappen mit sportlichen Einlagen.
Wir feiern Weihnachten und Silvester mit anderen Crews. Einige Eindrücke in den Bildern:
Weihnachtskonzert: Christliche Weihnachtslieder verwandelt in Rapp und Gosple Song. Es klingt irgendwie schräg, da muss man sich schon reinhören. Egal die Menschen machen mit.
Traditionelles Christmas Dinner mit Trusthahn und Yorkshire Pudding sowie weiteren englischen Gerichten auf SY Silhouette – Caroline übertrifft sich. Es schmeckt wirklich ausgezeichnet.
Silvesterdinner: Langusten und weitere Highlights in einem kleinen, einfachen französischen Strassenlokal. Nicht ganz billig, aber Langusten, französischer Wein und Champagner haben auch in diesem einfachen Ambiente.
Sonnenuntergang an Silvester. Ein schwieriges Jahr liegt hinter uns. Wir freuen uns auf 2019.
Die Festtage vergehen wie im Fluge. Wir genießen die Zeit im Kreis Gleichgesinnter in einem kleinen Paradies. Aber das Ende naht. Jeder geht jetzt seiner Wege im neuen Jahr. Werden wir uns wiedersehen? Wir haben so nette Menschen und mittlerweile Freunde gefunden. Der Abschied schmerzt.
Aber Jonas und Marthe nahen und wir verlegen uns nach Fort de France/Martinique. Am 2. Januar dann der erste Anruf noch aus Paris: „Wir hassen die Air France. Wir kommen, aber ohne Koffer.“ „Na, bravo, das kann ja lustig werden“, sagen wir und gehen erstmal eine Runde schwimmen.
Turbo Summary for English Readers:
We spend Christmas and New Year Eve in Martinique jointly with SY Silhouette and SY Festina Lente. Time for storytelling with our friends. Successful but tricky repairs of the generator ensure our comfort during these days.
Meilleurs salutations,
Christophe
Kategorien:Uncategorized
Ihr Lieben, eine große Freude am frühen Morgen Nachricht von Euch zu bekommen und zu erfahren wie gut es Euch geht!
Eure Berichte sind das absolute High Light in meinem Postfach! Danke!
Jetzt gehe ich beschwingt in den Wintermorgen, um die Schneemassen vor der Garage zu räumen.
Ganz herzliche Grüße
Monika
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